Fort Eben Emael

AKRO/AKRU Exkursion

Unter der Leitung unserer Kam. Faller, Major d.R., und Kam. Lippe, Hauptfeldwebel d.R., startete die Exkursion nach Belgien in den frühen Morgenstunden. Ziel war das Fort Eben-Emael, das am 10. und 11. Mai des Jahres 1940 eine kurze, in ihrer Bedeutung jedoch nicht zu unterschätzende, Rolle spielte.

Am Morgen des 10. Mai 1940 befand sich die als stärkstes Fort der Welt bekannte Festung im Zustand der Alarmierung. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme war allerdings eingeschränkt, da sich ein Teil der Besatzung außerhalb des Forts aufhielt und nicht erreichbar war. Das in den Jahren 1932 bis 1935 tief in den Kalkstein gegrabene Labyrinth galt als sicher gegen jegliche Bombardierung, auch mit schwersten Kalibern. Ein ausgeklügeltes System von Gräben und Außenwerken schützte den Hügel gegen Angriffe aus allen Richtungen. So dachten jedenfalls die Konstrukteure, die in ihren Vorstellungen immer noch dem Denken der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg verhaftet waren.

So war diese Feste in klassischer Weise ausgerichtet gegen Angriffe zu ebener Erde. Die Verwendung von Kampffahrzeugen, als eine bedeutende Neuerung seit dem I. Weltkrieg, war dabei sehr wohl berücksichtigt worden. Immerhin hatte man um das Fort einen Panzergraben gezogen, der für Fahrzeuge nicht zu überwinden war. Zu einem Teil bestand dieser Graben aus einem wasserführenden Kanal, überwiegend war es ein tiefer Graben mit steilen Wänden. In regelmäßigen Abständen befanden sich schwere Betonbunker als Grabenwerke an den Rändern des Forts, so dass sie wie Schwalbennester hinausragten und mit ihren Maschinengewehren und Panzerabwehrkanonen zu beiden Seiten in den Graben hineinwirken konnten. Für Fahrzeuge unpassierbar, wäre so nur ein Frontalangriff mit Massen von Infanterie möglich gewesen, die mit Leitern oder auf andere Weise hätten versuchen können, den Graben zu überwinden. Wenn es überhaupt gelungen wäre, so wohl nur unter ungeheuren Verlusten, die die Maschinengewehre angerichtet hätten.

Etwa ein Drittel der Außenseite des Forts bildet die sechzig Meter hohe, nahezu senkrechte Steilwand, die zum Albertkanal abfällt und einer ähnlichen Wand auf der anderen Kanalseite gegenüberliegt. In dieser Steilwand befanden sich zwei Grabenwerke etwas über dem Wasserspiegel mit gleicher Funktion wie die anderen Grabenwerke sowie hoch oben in der Wand die Ansaugöffnungen für die Wetterführung in dem Stollensystem des Forts. Diese waren durch ihre Lage gegenüber der anderen Steilwand gegen direkten Beschuss geschützt. Ein Überschreiten des sechzig Meter breiten Kanals sollte durch die beiden Werke gleichfalls zu einer sehr äußerst verlustreichen Sache werden.

Hoch über dem Kanal, im Bereich der Schleuse befand sich der schwer geschützte Beobachtungsbunker, der einen weiten Blick nach Osten und Südosten ermöglicht und so das Feuer der beiden Batterien auf die "Pforte von Visé" leiten konnte. Dieser Beobachtungsbunker befindet sich zwar einige Hundert Meter außerhalb des Forts, war aber durch einen begehbaren Stollen mit dem Fort verbunden.

Auf der Oberfläche des Hügels befinden sich die Hauptwaffensysteme der Anlage. Zwei Kasematten mit je drei 75 mm Kanonen sind auf die Brücken im Norden gerichtet, zwei gleiche Kasematten auf die Visé-Lücke im Südosten. Hinzu kommen drei versenkbare Panzerkuppeln, die frei gedreht werden können. Die beiden kleineren tragen je zwei getrennt höhenrichtbare 75 mm Kanonen, die große Kuppel dagegen zwei 120 mm Geschütze. Bei den Waffen handelt es sich um sehr kurzrohrige Geschütze, da sie mit den Kuppeln versenkbar sein sollten. Die daher nur geringe Vo konnte in Kauf genommen werden, da nur ein indirekter Beschuss in Frage kam und die geforderte Reichweite ohne weiteres erzielt werden konnte. Ergänzt wurden diese Bauten durch weitere Beobachtungskuppeln und MG-Bunker zur Sicherung gegen infanteristische Angreifer.

 

 

Als der Angriff der deutschen Großverbände am frühen Morgen des 10. Mai 1940 begann, waren die Spezialtruppen bereits im Einsatz. Luftlandetruppen in mehreren unabhängigen Gruppen griffen gleichzeitig die Brücken über den Albert-Kanal bei Veldwezelt, Vroenhoven und Kanne sowie das Fort Eben-Emael an. Während die Brücke bei Kanne noch gesprengt werden konnte, wurden die anderen Brücken unbeschädigt genommen und bis zum Eintreffen der Bodentruppen verteidigt.

Das Fort Eben-Emael, das rundum so gut gesichert war, besaß seine Schwachstelle an der Oberseite. Eine ernstzunehmende Flugabwehr war nicht vorhanden. Die gesamte Oberfläche des Hügels war ungesichert. Es wird berichtet, die Planer des Angriffs seien sicher gewesen, dass die Oberfläche nicht vermint war, da Aufklärungsbilder vorlagen, die die Besatzung des Forts beim Fußballspielen zeigten. So konnten auf dem Fort neun Lastensegler gelandet werden. Die Piloten brachten ihre hölzernen Fluggeräte unmittelbar neben den Objekten zum stehen. So gelang die Überraschung und die mitgebrachten schweren Spezialsprengladungen konnten ohne Verzögerung gegen die Kuppeln zum Einsatz gebracht werden. Das Ergebnis ist heute noch eindrucksvoll sichtbar.

Innerhalb weniger Minuten hatte das Fort seine Kampffähigkeit verloren. Nur sechsunddreißig Stunden später war die Verwirrung bei den eingeschlossenen Festungstruppen so groß geworden, dass der Kommandant sich zur Übergabe entschloss. Der deutsche Divisionskommandeur nahm die ehrenvolle Kapitulation vor angetretener Truppe entgegen und reichte dem belgischen Kommandanten seinen Degen als Zeichen der Anerkennung zurück

Damit endet die Geschichte des Forts Eben-Emael. Eine Investition von umgerechnet zwei Milliarden EURO war nach siebzehn Minuten nutzlos.

Epilog

Die Eroberung der Kanalküste war längst abgeschlossen. Die Briten hatten einen großen Teil ihres Expeditionskorps über den Strand bei Dünkirchen evakuieren können und bereiteten sich auf die Abwehr der erwarteten deutschen Invasion vor. Die Pläne für eine Landung auf den britischen Inseln waren allerdings unausgegoren.

Zwischen Heer und Kriegsmarine waren erhebliche Differenzen über die Landungsoperation aufgetreten. Das Heer hatte die Vorstellung entwickelt, mit Panzer- und Infanteriedivisionen zu landen und dazu von der Kriegsmarine die Bereitstellung sowohl der Transportmittel als auch der Deckungsstreitkräfte gefordert. Zusätzlich wurde erwartet, dass die Marine gleichzeitig die schweren gegnerischen Seestreitkräfte durch offensive Operationen im Atlantik band und somit an einem Eingreifen gegen die Landungskräfte hinderte.

Die Marine hatte zu diesen realitätsfernen Vorstellungen eine klare Ansicht: Sie waren mit den tatsächlich vorhandenen Mitteln nicht durchführbar. Die Operation "Seelöwe" wurde daher von der Marine auch nicht ernsthaft verfolgt, der Schwerpunkt blieb bei der Schlacht im Atlantik.

Während in den französischen Kanalhäfen eine Invasionsflotte von ... tausend Fähren, Prämen, Binnenschiffen und anderen fragwürdigen Untersätzen bereitgestellt wurde, bereitete die Luftwaffe den Angriff vor, mit dem die Royal Air Force vernichtet und so eine wesentliche Voraussetzungen für die Landung geschaffen werden sollte.

Währenddessen liefen in England die Vorbereitungen für die Abwehr auf hohen Touren. Überall im Land wurden Milizverbände aufgestellt, die sich mit Jagdgewehren, Mistgabeln, Axtstielen und in großer Zahl bereits vorgefertigten Brandflaschen, bekannt als "Molotow-Cocktails", den Angreifern entgegenwerfen wollten. Die in Großbritannien herrschende Stimmung war panikartig. Überall im Land wurden harmlose Leute als Spione verdächtigt. Die Stimmung wurde so bedenklich, dass die Royal Air Force große Sorge um ihre Flieger hatte, die über der Insel mit dem Fallschirm abspringen mussten. So kam es zu einem ausdrücklichen Verbot, auf Fallschirmspringer in Gruppen unter sechs Mann zu schießen, da die Bomberbesatzungen höchstens fünf Mann stark waren.

Aufgrund der strikten und erfolgreichen Geheimhaltung hatte die Gegenseite tatsächlich keine gesicherten Erkenntnisse über die Eroberung des Forts Eben-Emael. Hinzu kamen umlaufende Gerüchte, dass bei der Invasion Hollands deutsche Fallschirmjäger in Nonnenkostümen gesehen worden sein sollen. Außerdem waren unmittelbar vor dem Angriff am 10. Mai deutsche Kommandotrupps, die bereits in Holland eingesickert waren, tatsächlich erkannt und gefasst.

Diese paranoide Stimmung wurde von der deutschen Propaganda geschickt und sehr erfolgreich zur Desinformation genutzt. Der englischsprachige Sender verbreitete Nachrichten, dass deutsche Fallschirmjäger über einen speziellen Gleitschirm verfügten, mit dem sie bis zu zehn Stunden in der Luft bleiben konnten. Dabei seien sie durch kleine Nebelpatronen als Wölkchen getarnt und so vom Boden aus nicht zu erkennen. Das war natürlich frei erfunden, aber man stelle sich vor, wie bei entsprechender Wetterlage halb England seine Munition in den Abendhimmel mit Schäfchenwolken verfeuert. Obendrein wurde die blitzartige Eroberung von Eben-Emael andeutungsweise mit dem Einsatz geheimnisvoller elektromagnetischer Strahlung erklärt, die als tödliche Bedrohung für England dargestellt wurde. Ein Szenario, das wunderbar zu den damals populären Geschichten von Frankenstein und Dr. Mabuse passte.

Auch wenn es heute unverständlich scheint und eher belustigend klingt, die in England herrschende Stimmung sorgte für einen gewaltigen und völlig nutzlosen Aufwand  Die Invasion fand nie statt. Aber es ist doch bemerkenswert, welche "Fernwirkung" auf diese Weise die- taktisch bravouröse - Eroberung des strategisch unbedeutenden Forts Eben-Emael hatte.

E. Eigemann
 
 
Die Besuchergruppe der RK Bochum